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Nicht alle privaten Pflegeversicherungen bringen Hilfe

Von Sabine Hildebrandt-Woeckel 08. Oktober 2006

Treffen kann es jeden und auch schon in jungen Jahren. Das bezweifelt niemand. Schon heute leben in Deutschland mehr als zwei Millionen Menschen, die pflegebedürftig sind. Und angesichts der Tatsache, dass die Lebenserwartung weiter steigt, besteht auch Einigkeit darüber, dass diese Zahl schon in naher Zukunft noch einmal stark steigen wird. Selbst die Misere der 1995 eingeführten gesetzlichen Pflegeversicherung wird allgemein beklagt. Ohnehin, so steht es schon im Gesetzestext, war sie nie darauf angelegt, eine Vollversorgung der Betroffenen sicherzustellen. Nur gehen die Meinungen darüber weit auseinander, was dies für den einzelnen bedeutet, ob er private Vorsorge treffen muss und, wenn ja, wann und wie. Die Position der Versicherungswirtschaft ist klar: Weil die Zahlungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung schon jetzt nicht mehr ausreichen, raten sie dringend zum Abschluss einer privaten Police. Ihre Rechnung klingt überzeugend: Maximal 1432 Euro im Monat zahlt die gesetzliche Pflegeversicherung derzeit. Rund 2700 Euro kostet durchschnittlich ein passender Heimplatz. Im Einzelfall kann er sogar weit darüber liegen.

„Das ist ein schöner Zusatzservice“
Das sich dennoch noch nicht einmal eine Million Menschen für einen solchen Schutz entschieden hat, kann Sabine Heche vom Verband der privaten Krankenversicherung daher auch nicht verstehen. Denn immerhin haben gleichzeitig 4,8 Millionen Deutsche eine Krankenzusatzversicherung mit Chefarztbehandlung und Zwei-Bett-Zimmer abgeschlossen. „Das ist ein schöner Zusatzservice“, betont sie, „aber gesund wird man in Deutschland auch als normaler Patient.“ Im Alter jedoch unter die Armutsgrenze zu rutschen, Hab und Gut zu verlieren und auf die Hilfe von Sozialamt oder engen Familienangehörigen angewiesen zu sein, so ihre Einschätzung, sei das viel größere Risiko. „Natürlich, dieses Risiko gibt es“, bestreitet auch Bianca Höwe vom Bund der Versicherten nicht. „Dennoch sollte die private Pflegezusatzversicherung, ebenso wie die Krankenzusatzversicherung, auf der Prioritätenliste der privaten Versicherungen weit am Ende stehen“, lautet ihre Überzeugung, die auch andere Verbraucherschützer teilen. Sich im Alter von anderen unter die Arme greifen lassen zu müssen, versteht Höwe, sei unangenehm und unerwünscht, ein existentielles Risiko sei es aber nicht.

Private Zusatztarife in drei verschiedenen Arten
Genau diese existentiellen Risiken wie Haftungen, Krankheit, Tod und bei arbeitenden Menschen vor allem die Berufsunfähigkeit, so Höwe, müssten aber zuerst abgesichert werden. Erst wenn dann noch Geld übrig ist, rät sie zum Abschluss einer Pflegeversicherung. Allerdings sollten die Versicherten dies nicht - wie es einige Versicherungskonzerne gerne sähen - bereits mit Anfang 20, sondern bestenfalls mit Mitte 40 tun. Und auch dann noch, so die Expertin weiter, müsse genau überdacht werden, welche Versicherungsform in Frage komme. Denn grundsätzlich werden private Zusatztarife in drei verschiedenen Arten angeboten: als Pflegerentenversicherung, als Pflegetagegeldversicherung und als Pflegekostenversicherung. Besonders die erste Variante stößt bei Verbraucherschützern auf wenig Gegenliebe. Als „intransparente Kombination aus Versicherungsschutz und unrentablem Sparvertrag“ bezeichnet Höwe die Police, die anders als die anderen beiden von Lebensversicherungsunternehmen und nicht von den Krankenversicherern angeboten wird. Wer Kapital anlegen wolle, solle dies lieber separat tun und ansonsten nur das Pflegerisiko abdecken.

Auf den ersten Blick komfortabel, aber doch mit Haken
Am engsten an der gängigen Praxis der Krankenversicherer orientiert sich dabei die Pflegekostenversicherung. Wird jemand pflegebedürftig, zahlt die Versicherung einen vorher festgelegten Prozentsatz der tatsächlich entstandenen Kosten auf die gesetzlichen Leistungen drauf. Derzeit muß eine 45 Jahre alte Frau für eine Kostenerstattung von 1300 Euro monatlich zwischen 30 bis 40 Euro monatlich aufwenden, ein gleichaltriger Mann bekommt denselben Schutz für 20 Euro. Das klingt auf den ersten Blick komfortabel, hat aber Haken: So müssen die Kosten durch Rechnung nachgewiesen werden, und familiäre Hilfe finanzieren die meisten Anbieter nicht. Viele Experten empfehlen diesen Tarif daher nur, wenn von vorneherein feststeht, dass die spätere Pflege von professionellen Kräften oder stationär erfolgen wird. Darüber hinaus sind die Beträge fast immer nach oben gedeckelt, und auch die Koppelung an den Kassensatz kann sich nachteilig auswirken. Verringert die Pflegeversicherung angesichts ihrer steigenden finanziellen Probleme künftig ihre Leistung, sinken auch die Zuschüsse der privaten Zusatzversicherungen.

Konditionen und Beiträge variieren stark
Etwas flexibler erscheint da auf den ersten Blick die Tagegeldversicherung, die derzeit auch am meisten abgeschlossen wird. Das Prinzip ist einfach: Versichert wird ein fester Betrag pro Tag, der vom ersten Tag der Pflegebedürftigkeit an ausgezahlt wird und den der Patient frei verwenden kann. Gleichgültig ob er zu Hause gepflegt wird, im Krankenhaus, egal ob überhaupt Kosten in der vereinbarten Summe entstehen, die Versicherung zahlt. Einen solchen Tagessatz von 30 Euro bekommt ein 43 Jahre alter Mann bei günstigen Anbietern ebenfalls für rund 20 Euro, eine Frau zahlt wiederum über 30 Euro. Allerdings variieren sowohl die Konditionen als auch die Beiträge von Gesellschaft zu Gesellschaft stark. Deshalb raten Experten, immer bei mehreren Gesellschaften Probeanträge zu stellen. Als günstige Anbieter gelten derzeit DKV, Hanse Merkur, VGH, DEVK und Signal Iduna.

Manche zahlen überhaupt erst ab Pflegestufe II
Wie so oft, steckt auch bei der Tagegeldversicherung der Teufel im Detail. Wieviel Geld der Versicherte tatsächlich bekommt, hängt von seiner Einstufung ab. Den vollen Satz bekommen die meisten Versicherten erst von Pflegestufe III an, einige Anbieter zahlen überhaupt erst ab Pflegestufe II. Tatsächlich aber, weiß Vermögensberaterin Constanze Hintze, erreichen viele diese Einstufung gar nicht erst. Die in München ansässige Expertin erlebte nicht nur in ihrem Bekanntenkreis, wie schwer es ist, als schwerstpflegebedürftig eingestuft zu werden. Sie sieht sich auch durch die Statistik bestätigt: Im Jahr 2005 waren 45 Prozent der Pflegebedürftigen in Pflegestufe I, 40 in Pflegestufe II und nur 15 Prozent in Pflegestufe III. Von Policen, die Pflegestufe I ausschließen, rät die Expertin daher eher ab. Dennoch hält sie die Tagegeldversicherung insgesamt für die interessantere Variante, weil sie den Versicherten den größten Spielraum lässt. Diese Einschätzung teilt auch Thomas Dambier von der Stiftung Warentest. Für die Zeitschrift „Finanztest“ erstellte er Mitte des Jahres einen Marktüberblick. Auch Dambier betont: Rundum-sorglos-Pakete seien auch im privaten Bereich nicht zu bekommen.
Quelle: FAZ.net 11.10.2006


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