Beratungspflicht des Gebäudeversicherers:
Wichtige Entscheidung des OLG Karlsruhe stärkt Rechte von Immobilien-Erwerbern
„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste"
Wir haben immer wieder erlebt, dass bei einem Hauskauf es Probleme nicht nur mit der Gebäudeversicherung gibt, sondern sich später auch Schäden herausstellten, die einem das Leben finanziell und psyschich schwer machen können. Im Jahr 2023 hatten wir einen Fall, wo durch Zufall ein Ölschaden nach dem Hauskauf durch einen Gutachter festgestellt wurde. Durch den dauernden Ölgeruch im Haus wurde der Gutachter beauftragt, die Herkunft des Geruchs zu lokalisieren. Es stellte sich heraus, dass im Keller nicht nur der Boden, sondern auch in den Wänden Öl enthalten war. Die Schäden wurden vor dem Kauf überstrichen, sodass man das nicht erkennen konnte. Die Zusatzkosten waren und sind immer noch für die Sanierung erheblich. Der Verkäufer und Makler sind leider nicht mehr verantwortlich zu machen.
Was ist zu beachten bei einem Vertragswechsel nach dem Hauskauf?
Wir erfahren immer wieder, dass Hausbesitzer nach einem Kauf Probleme mit der bestehenden und übernommenen Gebäudeversicherung haben. Oft werden regulierte oder nicht regulierte Schäden am Haus nicht dem Käufer gemeldet, bestimmte Gefahren (wie z. B. Wasserschäden oder Elementarschäden) waren oder sind nicht versichert, oder es gibt unbezahlte Beitragsrechnungen, die den Versicherungsschutz gefährden. Aus diesen Gründen raten wir zur Vorsicht bei einer Kündigung oder einem blinden Wechsel der alten Gebäude-Versicherung nach dem Hauskauf. Vor einem Vertragswechsel sollte immer eine Policenkopie inklusive der Vertragsbedingungen, die Kopie der letzten Beitragsrechnung und ein Schadenspiegel angefordert werden.
Zwar besteht nach § 96 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) ein Sonderkündigungsrecht, doch können Risiken in der alten Police vorhanden sein, die vom neuen Versicherer nicht übernommen werden. Im schlimmsten Fall könnte der neue Versicherer den Antrag ablehnen, sodass der Hausbesitzer ohne Versicherungsschutz dasteht, wenn er ohne Annahmebestätigung den alten Vertrag gekündigt hat. Daher gilt der Grundsatz: „Vorsicht ist besser als Nachsicht" oder „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ Es ist oft sicherer, einen ungünstigen Vertrag fortzuführen, als gar keinen Schutz zu haben. Zu beachten ist insbesondere die Mitversicherung von Elementarschäden, wenn diese vorher nicht versichert gewesen sind. Dann gilt in der Regel eine Wartezeit von einem bis drei Monate (je nach Tarif). In diesem Zeitraum besteht dann kein Versicherungsschutz. In diesem Fall kann es besser sein, den Antrag frühzeitig zur nächsten Hauptfälligkeit zu stellen. Wenn der neue Versicherer eine Differenzdeckung anbietet, so besteht dann auch noch besser Versicherungsschutz bis zur kompletten Vertragsänderung. In der Regel können mit dem alten Versicherer fehlende Gefahren nachträglich durch eine Vertragsneuordnung versichert werden. Wichtig wäre dabei darauf zu achten, dass es sich nicht um einen drei Jahresvertrag handelt. Nach der Neuordnung und einer gewissen schadenfreien Zeit kann ein Vertragswechsel zum späteren Zeitpunkt sinnvoll sein.
Wenn Sie eine Einschätzung zur bestehenden Gebäudeversicherung bei einem Hauskauf benötigen oder wissen möchten, ob der Vertrag angemessen ist, können Sie uns gerne mit der Überprüfung beauftragen.
Folgender Fall soll ein weiteres Beispiel aufzeigen
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil (Az. 12 U 66/23) vom 05.10.2023 eine bedeutende Entscheidung zur Beratungspflicht von Gebäudeversicherern getroffen. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Immobilienkäufer, die bereits vor der offiziellen Eigentumsübertragung in einen bestehenden Gebäudeversicherungsvertrag eintreten oder eine neue Versicherung abschließen wollen.
Hintergrund des Falls
Der Kläger hatte von seiner geschiedenen Ehefrau ein bebautes Grundstück erworben, das durch eine Gebäudeversicherung bei der Beklagten versichert war. Noch vor der formellen Eintragung des Eigentums im Grundbuch wollte der Kläger die bestehende Gebäudeversicherung übernehmen, um sicherzustellen, dass der Versicherungsschutz für das Gebäude weiterhin besteht. Seine jetzige Ehefrau setzte sich mit dem Versicherungsvertreter der Beklagten in Verbindung und bat um die Umschreibung des Vertrags sowie um die Möglichkeit, die Versicherungsprämien per Lastschriftmandat zu bezahlen.
Die Mitarbeiterin des Versicherers erklärte jedoch, dass eine Übernahme des Vertrags nur mit Zustimmung der ehemaligen Versicherungsnehmerin – also der Ex-Frau des Klägers – möglich sei. Diese stimmte der Übernahme jedoch nicht zu, was dazu führte, dass die Versicherungsprämien nicht mehr gezahlt wurden. In der Folge trat am 13.09.2020 ein Wasserschaden auf dem Grundstück ein, für den die Versicherung aufgrund des Zahlungsverzugs keine Leistungen erbrachte.
Gerichtliche Entscheidung
Der Kläger machte geltend, dass er nicht ausreichend über seine Optionen informiert wurde. Das Oberlandesgericht Karlsruhe stimmte dem zu und stellte fest, dass der Versicherer eine umfassendere Beratung hätte bieten müssen. Der Versicherer hätte den Kläger auf die Möglichkeit eines eigenständigen Abschlusses einer neuen Gebäudeversicherung hinweisen müssen, um den Fortbestand des Versicherungsschutzes sicherzustellen.
Die bloße Aussage der Mitarbeiterin, dass eine Vertragsübernahme nur mit Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin möglich sei, reichte laut Gericht nicht aus. Stattdessen wäre es die Pflicht des Versicherers gewesen, den Kläger auch über alternative Lösungen – wie den Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags – zu informieren. Diese unzureichende Beratung wurde als Pflichtverletzung gewertet.
Konsequenzen des Urteils
Das Gericht sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch zu, da der entstandene Wasserschaden bei ordnungsgemäßer Beratung durch einen Versicherungsvertrag abgedeckt gewesen wäre. Der Versicherer und der betroffene Versicherungsvertreter wurden gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden haftbar gemacht.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Das Urteil stützt sich auf die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), insbesondere auf die §§ 6 und 61, die die Beratungspflichten von Versicherern und ihren Vertretern regeln. Das Gericht machte deutlich, dass Versicherer nicht nur bei bestehenden Kunden, sondern auch bei potenziellen Vertragsabschlüssen eine umfassende Beratungsverpflichtung haben.
Fazit
Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe stärkt die Rechte von Immobilienerwerbern, die sich vor dem endgültigen Eigentumserwerb gegen mögliche Schäden absichern wollen. Es verdeutlicht die hohe Verantwortung von Versicherern und deren Vertretern, Kunden umfassend über alle möglichen Absicherungsoptionen zu informieren. Für Immobilienkäufer bedeutet das Urteil, dass sie Anspruch auf eine sorgfältige und detaillierte Beratung haben – und im Falle einer Fehlberatung Schadensersatz geltend machen können.
Diese Entscheidung könnte Signalwirkung haben und die Praxis der Versicherungsberatung in Immobilienfällen nachhaltig verändern.