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Umfassende ärztliche Aufklärungspflicht:
Alternativen zu Operationen – OLG Hamm Urteil

Wenn das Krankenhaus einem per Rollstuhl rausschickt

Kennen Sie folgendes Gefühl oder Situation, besonders als Privatpatient: Sie werden in einem Krankenhaus aufgenommen und sollen sofort operiert werden? Genau das erlebte ich im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin. Nach einem Bandscheibenvorfall sollte ich direkt am Tag meiner Einlieferung, einem Freitag, operiert werden. Die Schmerzen waren unerträglich, und selbst unter starken Schmerzmitteln („Opiumtropf“) waren sie kaum auszuhalten. Dennoch ging mir alles viel zu schnell, und ich bat darum, das Wochenende über meine Entscheidung nachzudenken. Am Montag wollten die Ärzte die Operation durchführen.

Während des Wochenendes holte ich Rat von mehreren Mandanten ein, die als Mediziner oder Physiotherapeuten tätig sind. Sie rieten mir von der Operation ab. Am Montag teilte ich den Ärzten meine Entscheidung mit. Daraufhin setzte man mich in einen Rollstuhl, brachte mich nach draußen, und ich rief mir ein Taxi. Dieses brachte mich in die Notaufnahme der Parkklinik Weißensee.

Nachdem ich dort zwei Stunden im Flur verbracht hatte, wurde ich schließlich aufgenommen. Das erste, was ich hörte, war: „Eine Operation ist bei uns das letzte Mittel.“ Diese Worte gaben mir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Einige Tage später erhielt ich eine gezielte Injektion unter MRT-Kontrolle (mit irgendwelchen Kristallen) und bis heute komme ich sehr gut klar.

Ich frage mich oft, wie es ausgegangen wäre, wenn ich nicht die Kraft gehabt hätte, mich trotz der extremen Schmerzen gegen die Operation zu wehren? Glücklicherweise stärkt ein aktuelles Urteil die Rechte von Patienten in solchen Situationen. Man sollte es kennen, wenn man in solche Situation mal kommen sollte oder war.

Am 02. Februar 2024 fällte das Oberlandesgericht Hamm (AZ: 26 U 36/23AZ: 26 U 36/23) ein richtungsweisendes Urteil zur Aufklärungspflicht von Ärzten bei der Wahl zwischen operativen und konservativen Behandlungsoptionen. Das Urteil stärkt die Rechte von Patienten und verdeutlicht die Verantwortung von Ärzten, umfassend über alle möglichen Therapieansätze zu informieren.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, die über viele Jahre unter chronischen Rückenschmerzen litt, suchte im Januar 2016 einen Neurochirurgen auf, um ihre Beschwerden behandeln zu lassen. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine schwerwiegende Bandscheibendegeneration und empfahl eine Wirbelsäulenoperation, die kurz darauf durchgeführt wurde. In den folgenden Monaten verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Patientin erheblich, sodass weitere Operationen notwendig wurden.

Die Klägerin machte geltend, dass sie nicht ausreichend über alternative, konservative Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Spritzentherapien oder andere nicht-operative Maßnahmen aufgeklärt worden sei. Ihrer Ansicht nach hätte sie, wäre sie umfassend informiert worden, eine konservative Therapie der Operation vorgezogen.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht Hamm entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte den behandelnden Arzt sowie weitere Beklagte zur Zahlung von 50.000 Euro Schmerzensgeld. Das Gericht stellte klar, dass die Aufklärungspflicht eines Arztes nicht nur die Erläuterung der empfohlenen operativen Behandlung umfasst, sondern auch alternative Therapieansätze aufzeigen muss. Im vorliegenden Fall hätte der Arzt die Patientin ausführlich über weniger invasive konservative Therapien informieren müssen, um ihr die Möglichkeit zu geben, eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Das Gericht betonte, dass eine solche Aufklärung von zentraler Bedeutung ist, damit der Patient einen klaren Abwägungsprozess zwischen den verschiedenen Behandlungsoptionen durchlaufen kann. Nur so kann der Patient selbstbestimmt und auf Grundlage aller relevanten Informationen entscheiden, ob er eine Operation oder eine alternative, weniger invasive Therapie vorzieht.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Hamm unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die ärztliche Aufklärung gestellt werden. Ärzte sind verpflichtet, ihren Patienten nicht nur die Risiken und Vorteile der von ihnen bevorzugten Behandlung zu erläutern, sondern auch über konservative Alternativen zu informieren, wenn diese eine realistische Option darstellen. Ein Versäumnis in der Aufklärung kann schwerwiegende rechtliche Folgen haben und zu Schadensersatzansprüchen führen.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm stärkt die Rechte von Patienten und sorgt für mehr Transparenz im Arzt-Patienten-Verhältnis. Es verdeutlicht die Verantwortung von Ärzten, umfassend aufzuklären und alle Optionen zu berücksichtigen, bevor eine medizinische Entscheidung getroffen wird. Patienten sollten ermutigt werden, alle Informationen zu ihrer Behandlung aktiv einzufordern, um eine wohlüberlegte Entscheidung treffen zu können.


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